Der Zitronentermin – gelebte Fehlerkultur
Fehler offen eingestehen – voneinander lernen
Lange Zeit haben wir Fehler in unseren Kulturkreisen gleichgesetzt mit Scheitern und vielleicht sogar mit Inkompetenz. Schon als kleine Kinder haben wir gelernt: Manchmal ist es besser, kleine Makel sowie Missgeschicke zu vertuschen und darauf zu hoffen, dass keiner etwas mitbekommt. Auch in der Arbeitswelt ist dieser Umgang mit Fehlern noch weit verbreitet. Zu groß ist die Angst davor, eine kleine Schwäche oder eine unerwartete Wendung der Ereignisse könne die ganze Karriere gefährden. Stattdessen kehren wir Fehler unter den Teppich und lenken von ihnen ab, damit sie im Verborgenen bleiben. Fehler entstehen jedoch nicht absichtsvoll, sondern in den meisten Fällen durch unvorhersehbare Ereignisse, unplanbare Situationen, unglückliche Umstände oder menschliches Versagen. Nur wenn wir Rückschläge ans Licht bringen und lösungsorientiert analysieren, können wir aus ihnen lernen und das Risiko minimieren, sie zu wiederholen.
Gerade in Zeiten rasanter Innovation und ständigen Fortschritts ist ein offener und konstruktiver Umgang mit Fehlern ein wertvoller Wettbewerbsvorteil. Denn das Neue liegt bekanntlich außerhalb dessen, was wir kennen. Wenn wir Neuland erkunden, ist der ein oder andere Irrweg einfach Teil der Reise. Entscheidend ist jedoch, dass wir Sackgassen und unwegsames Terrain auf unserer Landkarte markieren, damit auch andere daraus lernen können und sich mit uns auf neue Wege konzentrieren können. In diesem Sinne sind Fehler also die Resultate frischer Experimente, um den Fortschritt anzutreiben. Ich lade dazu ein, sie zu teilen und so diesen Pioniergeist im gesamten Unternehmen zu verbreiten, indem jeder auf den Lernerfahrung des anderen aufbaut.
Der Zitronentermin – ein Rahmen für offene Fehlerkultur
Beim Meetingformat „Zitronentermin“ geht es an erster Stelle darum, den offenen Umgang mit Fehlern in die Unternehmens- und Teamkultur zu integrieren. Einmal monatlich kommen Fach- und Führungskräfte aus einem Team oder auch unterschiedlichen Bereichen zusammen, um sich zu ihren aktuellen Lernerfahrungen aus der Praxis auszutauschen. Folgende Fragen geben dem Meeting seine konstruktive Struktur:
Die Antworten auf die ersten vier Fragen trägt der Verursacher des Fehlers vor:
- Was ist geschehen? Wie bin ich zu dieser Entscheidung gelangt? Was habe ich dabei gedacht und von welchen Annahmen bin ich ausgegangen?
- Wo lag die Fehleinschätzung oder fehlerhafte Annahme, die sich als Irrtum entpuppt hat?
- Was habe ich daraus gelernt? Was würde ich heute anders machen?
Anschließend gibt das Team Feedback:
- Jeder einzelne erläutert, was er aus dem Fehler für sich mitgenommen hat.
- Am Ende des Meetings, wenn alle präsentiert haben, zeichnet der Chef den Fehler des Monats aus und begründet seine Entscheidung.
Die ungeschminkte Ehrlichkeit jedes Einzelnen bei der Beschreibung des eigenen Falles tragen dazu bei, dass Betroffenheit und Mitgefühl im Raum entstehen. Kein Rausreden, Schönreden, Drumherumreden oder Schuldzuschreibungen, sondern die Dinge klar und eigenverantwortlich beim Namen benennen, das besitzt eine berührende Wirkung. Klarheit, Ehrlichkeit, Echtheit sind die Zutaten dieses Zitronencocktails. Dadurch lassen sich von Mal zu Mal menschliche Vorurteile beseitigen und fehlerhafte Annahmen mehr und mehr vermeiden. Im ersten Halbjahr begleite ich als Mediatorin die Zitronentermine, leiste Übersetzungsarbeit bei der Sprachwahl und helfe, den passenden Rahmen zu etablieren, bis sich eine vertrauensvolle Kultur des Miteinanders einstellt. Ich ermutige, leite an, sorge für Verständnis und verhelfe dem Team zu einer klaren und jederzeit wertschätzenden Kommunikation.
Schon im ersten Termin erkennen die Teilnehmer: Es geht nicht um Schuldsuche und Rechtfertigung, sondern um Austausch auf Augenhöhe, gegenseitiges Zuhören und echtes Verständnis. Wenn ich den Prozess anfangs nicht moderiere, läuft die Gruppe Gefahr, in alte Muster zu verfallen: Emotionen kommen hinzu, es wird laut, jemand fragt nach dem Schuldigen oder weist Schuld zu – das geschieht manchmal völlig unbeabsichtigt im Erzählen des Vorgangs. Erst wenn der Prozess über 6 Monate professionell begleitet wird, gibt es ein Umdenken und es entsteht ein wertschätzendes Miteinander. Jetzt entfaltet der Zitronentermin seinen vollen Mehrwert und findet Platz in der strategischen Kommunikationskultur.
Meine Erfahrung zeigt, dass die Unternehmen den Termin bereits beim ersten Mal wertschätzen, den Mehrwert erkennen und sich auf das nächste Mal freuen. Mehr und mehr wachsen sie in eine eigenständige Moderation ohne mich. Sie berichten mir anschließend, dass sie offener mit Reklamationen und Fehlern umgehen und sich gegenseitig in Berufssituationen erinnern: „Das wäre doch ein Kandidat für die Zitrone des Monats, damit wir alle daraus lernen können!“.
Gelebte Fehlerkultur – Teambuilding als positiver Nebeneffekt
Ein konstruktiver Umgang mit Fehlern steigert die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft des gesamten Unternehmens und bringt zahlreiche verborgene Potenziale ans Licht. Nachdem sich das Format etabliert hat, bereichert der Zitronentermin die Unternehmenskultur sogar um zahlreiche weitere Aspekte:
- Im Unternehmen entsteht eine Kultur der Offenheit und Freude am Austausch miteinander.
- Das Verständnis für die Kollegen und deren Arbeitsbereiche verbessert sich und die Wertschätzung füreinander steigt.
- Kommunikation und Kooperation verbessern sich, das gegenseitige Vertrauen wächst.
- Arbeitsabläufe und Prozesse gewinnen an Transparenz, Schnittstellen lassen sich effizienter gestalten.
- Durch die Prozessoptimierung entstehen sowohl zwischenmenschlicher Mehrwert als auch konkrete Einsparungen durch weniger Reklamationen, schlankere Prozesse, vereinfachte Strukturen.
- Das Eigeninteresse der Mitarbeiter weckt eine positivere Haltung und Bereitschaft für Veränderung.
- Die Innovationsgeschwindigkeit nimmt zu und damit die Sicherung der Zukunft des Unternehmens und der Arbeitsplätze.
- Freude, Humor und Leichtigkeit am Arbeitsplatz tragen nachhaltig zu einem besseren Betriebsklima bei und zahlen auf die Attraktivität des Arbeitgebers ein.
- Die Motivation innerhalb des Unternehmens steigt spürbar an. Das Bewusstsein für das gemeinsame Ziel wächst.
Fazit
„Wenn das Leben Dir Zitronen schenkt, mach Limonade daraus!“ – ganz nach diesem Motto verhilft Ihnen der Zitronentermin zu einer moderneren Unternehmenskultur. Hier stehen Fehler nicht länger für eine Niederlage, sondern sind ein wichtiger Meilenstein für Wachstum und Innovation. Außerdem schaffen sie den idealen Rahmen, um als Team noch weiter zusammen zu wachsen. Einer meiner Kunden wurde mit seinem Team dabei so kreativ, dass dort nach Feierabend im wahrsten Sinne des Wortes in die Zitrone gebissen wird, um gemeinsam mit einem Tequila auf zukünftige Erfolge anzustoßen.